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Spektrum Januar 2011

20 Lehre & Forschung Interesse der Wirtschaft sein, sie ist jedoch nicht im Interesse der Bildung nachfragenden jungen Leute. Zwar kann man in sechs oder sieben Semestern grundle- gendes Fachwissen vermitteln, aber die Lehrpläne sind viel zu vollgestopft, als dass noch Platz für Bildung da wäre. Ich konnte es mir noch leisten – obwohl ich mein Studium teilweise selber fi- nanzierte – während des gesam- ten Studiums in jedem Semester eine Philosophie-Vorlesung zu hören. Da habe ich Denken ge- lernt (andere müssen beurteilen, wie gut das ist). Ich halte es mit Max Weber: „Ich fürchte mich vor hirnlosen Technokraten“, will sagen: Angesichts der für viele als sicher anzusehenden längeren Le- bensarbeitszeit kommt es auf ein Jahr längeres Studium doch gar nicht an. Ich gehe davon aus, dass die jungen Menschen, die heute bei uns studieren, durchaus bis zum 70. Lebensjahr arbeiten wer- den. Unter diesem Aspekt sehe ich die stärkere Fokussierung der Hochschulen auf Weiterbildung positiv. Damit werden wir einer wichtigen gesellschaftlichen An- forderung gerecht. Sie leiten das Berufsintegrierende Studium Betriebswirtschaft (BIS) – das wäre dann eine praktische Konsequenz dieser Sicht? Ja natürlich, die zunehmende An- zahl von Studiengängen, in denen Hochschulen mit externen Orga- nisationen – das sollten nicht nur Wirtschaftsorganisationen sein – kooperieren, finde ich sehr gut. Allerdings muss die Unabhängig- keit der Hochschulen gesichert sein. Hochschulen sind keine Lieferanten von irgendetwas, sie müssen immer ihre kritische Funktion beibehalten dürfen. „Kritische Funktion“ lässt einen auch an Ethik denken. Ethik – Wirtschaft – Wissenschaft: Geht das zusammen? Selbstverständlich ist eine kriti- sche Reflektion der Wirtschafts- moral möglich, ja ich möchte das sogar als erforderlich bezeich- nen. Und das ist die Aufgabe der Ethik. Die Wirtschaft dient der Gesellschaft, dient dem Men- schen, nicht umgekehrt. Geht das wissenschaftlich? Das geht einfach: Man kann die Moral einer Gesellschaft, der Wirt- schaft oder von was auch immer zum Gegenstand wissenschaftli- cher Fragestellungen machen, in- dem man fragt: „Wohin führt uns welche Moral?“, Ob wir das dann wollen, das kann die Wissenschaft nicht sagen. Sie sagt, was möglich ist, sie kann uns nicht die Frage beantworten, was wir tun sollen. Das müssen wir selber klären. Was interessiert Sie außer Wissen- schaft oder Erkenntnis noch? Da gibt es sehr viel: Zuerst wäre eine Reihe von Menschen zu nen- nen – namentlich jedoch nicht hier. Es sind diejenigen, mit de- nen ich privat und an der Hoch- schule verbunden bin. Das ist das Allerwichtigste. Dann kommt mein Hund und dann kommen meine beiden Hobbies, die Jagd und Bergwanderungen im All- gäu, außerdem Jazz, zum Beispiel Charles Mingus oder Rock & Roll – Rolling Stones, Tina Turner und einige mehr. können. Unser Wahrnehmungs- apparat selektiert. Das ist gut so, vielleicht war es sogar unser ent- scheidender Evolutionsvorteil. Wir haben die Möglichkeit, un- sere Vermutungen, die sich aus unserer Wahrnehmung ergeben, wissenschaftlich zu überprüfen und aus unseren Irrtümern zu ler- nen. Wir nehmen die Welt nicht so wahr, wie sie ist, aber durch Versuch und Irrtum werden wir immer besser. Leider ohne jemals Sicherheit zu erlangen. Wie grenzen Sie die Betriebswirt- schaftslehre von jener der Volks- wirtschaft ab? Durch eine andere Perspektive, durch andere Fragestellungen. Wir Betriebswirte untersuchen die kleinen Einheiten selber, die VWL das Zusammenspiel dieser wirtschaftlichen Einheiten, die man mit den Worten von Albert als eine spezielle Soziologie ver- stehen kann. Wir Betriebswirte sind in diesem Sinne mit Zellbio- logen zu vergleichen, die VWL betreibt eine Art „Ganz-Körper- Betrachtung“. Freilich: Der eine ist ohne den anderen nichts. Wie beurteilen Sie den „Bologna- Prozess“ und die neuen Abschlüs- se, Bachelor und Master? Über de- ren Sinnhaftigkeit scheint es eine Debatte zu geben. „Bologna“ sehe ich sehr kritisch. Ich kann derzeit keinen Vor- teil darin erkennen. Wir haben weder eine Einheitlichkeit der Abschlüsse in Europa erreicht, noch vermitteln die Abschlüsse eine bessere Bildung. Die Verkür- zung des Studiums zum ersten akademischen Abschluss mag im