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Steckbrief: Beruflich Qualifizierte

Imke Buß; Jutta Rump; Janina Kaiser; Melanie Schiedhelm; Petra Schorat-Waly

Definition und Ausgangslage
Unter beruflich qualifizierten Studierenden (BQ) sind allgemein alle Studierenden gemeint, die ihr Studium ohne schulische Hochschulzugangsberechtigung begonnen haben. Die Möglichkeit dazu ist seit März 2009 durch einen Beschluss der Kultusministerkonferenz (Beschluss der Kulturministerkonferenz vom 06.03.2009) festgelegt und wird von den Bundesländern unterschiedlich gesetzlich ausgestaltet. In Rheinland-Pfalz beispielsweise wird der Hochschulzugang ohne Abitur gewährt, wenn die Studieninteressierten einen Berufsabschluss mit einer Note von mindestens 2,5 haben und über mindestens zwei Jahre Berufserfahrung verfügen. Auch die Meisterprüfung oder äquivalente Qualifikationen werken akzeptiert. In Rheinland-Pfalz müssen diese Studierenden vor der Einschreibung eine Pflichtberatung an der Hochschule wahrnehmen. In Ludwigshafen können hierfür entweder die Beratungsstelle für Beruflich Qualifizierte in der Abteilung Studium und Lehre (allgemeine Beratung zu Studienorientierung, Finanzierung etc.) oder die Zuständigen in den Fachbereichen (fachliche Beratung) aufgesucht werden.

Derzeit haben in Rheinland-Pfalz 2,9% der Studienanfänger/innen eine berufliche Hochschulzugangsberechtigung. An der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen waren im Sommer 2015 6,6% der Studierenden aufgrund ihrer beruflichen Qualifizierung zum Hochschulstudium berechtigt. Dabei hat der Großteil sich für ein Hochschulstudium durch eine Ausbildung mit anschließender Mindestberufserfahrung von zwei Jahren qualifiziert (71%). Ein Fünftel der beruflich Qualifizierten waren Techniker/innen oder Fachwirt/innen (19,4%) und 6,5% wurden aufgrund ihres Meisterbriefes zugelassen (Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen 2015). Besonders häufig sind beruflich Qualifizierte in Studiengängen des Sozial- und Gesundheitswesens eingeschrieben.

Auswirkungen auf Studiensituation und Studienerfolg
Herausforderungen im Studium ergeben sich für die beruflich Qualifizierten insbesondere in den ersten Semestern. Typisch sind dabei das Nachholen von Kenntnissen (z.B. Mathe- oder Englischkenntnisse) und das Hineindenken in das wissenschaftliche Arbeiten. Letztes geben jedoch auch Studierende mit anderen Zugängen zum Studium in der Befragung „Studierendenbarometer“ als besondere Schwierigkeit an (Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen 2015). Neben diesen Herausforderungen können die beruflich Qualifizierten auf zahlreiche Ressourcen aus ihrer Berufserfahrung zurückgreifen. Einerseits haben sich die BQ sehr bewusst für ein Studium entschieden und geben damit i.d.R. eine aktuelle Berufstätigkeit auf. Im Studium sind sie daher zielstrebig; ca. 70% der in einem rheinland-pfälzischen Modellprojekt Befragten geben an, schnell und mit guten Noten abschließen zu wollen. Gründe für ein Studium sind u.a. der Erwerb von speziellem Fachwissen (Berg et al. 2014) oder Fachinteresse, beruflicher Aufstieg oder finanzielle Verbesserungen (Wolter et al. 2015). Gleichzeitig können die BQ Kompetenzen in der Selbstorganisation und Zeitmanagement sowie praktische Erfahrungen aus ihrer Berufstätigkeit in das Studium einbringen. Müssen BQ einschätzen, welche Vor- und Nachteile die berufliche Qualifizierung (HZB) hat, sehen im ersten Semester noch 14 % überwiegend Nachteile. Im dritten Semester reduziert sich dieser Anteil auf ca. 2%, wohingegen 39% Vorteile und 58% keine Unterschiede sehen. Diese Selbstauskunft weist darauf hin, dass die BQ nach der Studieneingangsphase keine Nachteile mehr gegenüber Studierenden anderer HZB haben. Notenanalysen bestätigen dies, da hier nach einigen Semestern keine Unterschiede mehr auszumachen sind (Berg et al. 2014).

Bezogen auf den Studienabbruch zeigen Schmidtmann und Preusse (2015) anhand von Daten der Fernuniversität Hagen, dass BQ nicht häufiger als Studierende mit schulischer Hochschulzugangsberechtigung die Hochschule ohne Abschluss verlassen.

Literatur
Berg, H.; Grendel, T.; Haußmann, I.; Lübbe, H.; Marx, A. (2014): Der Übergang beruflich Qualifizierter in die Hochschule – Ergebnisse eines Modellprojekts in Rheinland-Pfalz. In: Mainzer Beiträge zur Hochschulentwicklung (20). Online verfügbar unter www.studieren-ohne-abitur.de, zuletzt geprüft am 03.02.2016.

Beschluss der Kulturministerkonferenz vom 06.03.2009 (2009): Hochschulzugang für beruflich qualifizierte Bewerber ohne schulische Hochschulzugangsberechtigung. Online verfügbar unter www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2009/2009_03_06-Hochschulzugang-erful-qualifizierte-Bewerber.pdf, zuletzt geprüft am 17.06.2020.

Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen (2015): Studierendenbarometer. Hochschulweite Studierendenbefragung. Wintersemester 2014/2015. Unveröffentlichtes Dokument. Unter Mitarbeit von Keller, A. Evaluationsbeauftragte der Hochschule. Ludwigshafen am Rhein.

Schmidtmann, H.; Preusse, J. (2015): Soziodemografie, Studienmotive und Studienerfolg beruflich qualifizierter Studierender: Befunde an der FernUniversität in Hagen. In: U. Elsholz (Hg.): Beruflich Qualifizierte im Studium. Analysen und Konzepte zum Dritten Bildungsweg. 1. Aufl. Bielefeld: Bertelsmann.

Wolter, A.; Dahm, G.; Kamm, C.; Christian Kerst, C.; Alexander Otto, A. (2015): Nicht-traditionelle Studierende in Deutschland: Werdegänge und Studienmotivation. In: U. Elsholz (Hg.): Beruflich Qualifizierte im Studium. Analysen und Konzepte zum Dritten Bildungsweg. 1. Aufl. Bielefeld: Bertelsmann.

Zitation
Buß, Imke; Rump, Jutta; Kaiser, Janina; Schiedhelm, Melanie; Schorat-Waly, Petra (2017): Steckbrief: Beruflich qualifizierte Studierende. In: Rump, Jutta; Buß, Imke; Kaiser, Janina; Schiedhelm, Melanie; Schorat-Waly, Petra: Toolbox für gute Lehre in einer diversen Studierendenschaft. Arbeitspapiere der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen, Nr. 6. www.hwg-lu.de/arbeitspapiere

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