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Problemorientiertes Lernen

Imke Buß; Jutta Rump; Janina Kaiser; Melanie Schiedhelm; Petra Schorat-Waly

a) Beschreibung der Methode
Ausgangspunkt des Lernprozesses ist eine komplexe, realitätsnahe und subjektiv bedeutsame Problemstellung aus dem Feld des Studienganges. Diese wird von den Studierenden in der Regel in Gruppen bearbeitet. Hierbei sollen möglichst unterschiedliche Sichtweisen (auch disziplinäre) beteiligt werden (multiperspektivische Betrachtung). Der Lernprozess erfolgt i.d.R. in sieben bis acht unten aufgeführten Schritten, in denen die Studierenden kooperativ und selbstständig in Gruppen lernen. Der Prozess wird durch den bzw. die Lehrende/n oder eine/n Tutor/in gelenkt.

Das POL-Format kann als Ersatz für wie auch als Einschub in Seminaren oder Vorlesungen genutzt werden. Jedoch ist zu beachten, dass die Studierenden diese Art des Lernens nicht unbedingt gewohnt sind und das POL daher trainiert werden muss. Ein häufiger Einsatz in unterschiedlichen Modulen ist daher sinnvoll.

Wozu ist es gut?
POL fördert den Erwerb von Wissen und den Aufbau von Kompetenzen, insbesondere auch der sozialen Kompetenzen. Zudem fördert sie die Lern- und Problemlösefähigkeit und kann motivierend wirken. Insgesamt steuern die Studierenden ihren Lernprozess stark selbst. POL kann entweder als große Problemstellung über das gesamte Semester oder als Methode in kürzeren Abständen durchgeführt werden.

Vorgehensweise
1.    Definition der Problemstellung
Studierende suchen selbst eine Problemstellung im Rahmen des Modulkontextes und klären die Eignung dieser Problemstellung mit dem Lehrenden ab.Alternative: Vorgabe der Problemstellung durch die Lehrenden
2.    Sammlung der Problemaspekte, Definition des Problems
Die Gruppe trägt die Teilaspekte des Problems zusammen. Dabei werden unterschiedliche Perspektiven berücksichtigt. Die Aspekte werden schriftlich festgehalten. Die Problematik wird näher bestimmt – hier muss eine Übereinstimmung aller Beteiligten erzielt werden.
3.    Sammlung von Hypothesen und Ideen
Zu dem in Schritt 2 definierten Problem werden Hypothesen und Ideen gesammelt (Flipchart, Tafel, Karteikarten – Brainstorming). ABER: noch keine kritische Bewertung der Hypothesen vornehmen!
4.     Systematische Ordnung der Hypothesen und Ideen
Die Gruppe ordnet nach selbst gewählten Prinzipien (müssen vorher definiert und diskutiert werden) die vorgetragenen Inhalte und Ideen. Relevante Aspekte werden ausgewählt.
5.     Formulierung der Lernziele
Die Studierenden halten fest, welche Sachverhalte in der Gruppe bereits bekannt sind und welche noch erarbeitet werden müssen. Zur systematischen Weiterentwicklung des Wissens und der Kompetenzen in der Gruppe werden Lernziele definiert.
6.     Erarbeitung der Lerninhalte und Ziele (Einzeln oder in Untergruppen)
Um die Lernziele zu erarbeiten, werden in Gruppen oder einzeln die vorhandenen Ressourcen (Bibliothek, Internet, Experten) genutzt. Es sollten alle Aspekte abgedeckt sein, die zur Problemlösung notwendig sind.
7.     Synthese und Diskussion der erarbeiteten Inhalte
Das Gelernte wird von den Gruppen oder Einzelpersonen präsentiert und das Problem unter Berücksichtigung dieser Erkenntnisse neu diskutiert. Die wichtigsten Punkte zur Problemlösung werden schriftlich von den Studierenden festgehalten und kritisch reflektiert. Probleme können oft auf unterschiedlichen Wegen gelöst werden. Daher können auch unterschiedliche Lösungen eines Problems aus der Synthese der Erkenntnisse entstehen.
8.    Evaluierung des Lösungsweges
Durch Metakognition wird die Erarbeitung des Problems reflektiert und daraus Erkenntnisse (für die nächste „Runde“) abgeleitet.

Gruppengröße
Arbeit in Gruppen zu 4-5 Studierende.

Zeitaufwand
Begleitung der Studierenden, ggf. Vorbereitung der Problemstellung
a) innerhalb der Lehrveranstaltung: Pro Durchgang zwei Treffen à 2 Stunden (dazwischen Pause von 1-2 Wochen, ggf. Ersatz von Präsenzveranstaltung(en) durch Selbstlernphase).

b) größere Problemstellungen: Dauer von mehreren Wochen mit Wechsel von Auftakttreffen, Reflexionstreffen und Abschlussveranstaltung. Hier ist studienbegleitende Betreuung durch Tutoren oder Lehrende besonders wichtig.

Raumausstattung
Keine besonderen Anforderungen; da mehrere Gruppen parallel arbeiten, sollten diese ausreichend räumlich getrennt arbeiten können.

Material
Flipchart oder Tafel für die Sammlung und das Festhalten der Ideen.

b) Wie fördert & fordert das POL die folgenden Diversitätsdimensionen?
Fachliche Vorerfahrungen & Vorwissen

POL kann fachliche Vorerfahrungen durch entsprechende Aufgabenverteilung an die Gruppen und innerhalb der Gruppen nutzbar machen. Vorwissen kann individuell in Einzel- und Gruppenarbeit erarbeitet werden. Das Lerntempo und der Lerninhalt sind dabei individuell. Fachliche Vorerfahrungen und Vorwissen sind durch eine angepasste Gruppenbildung leicht zu berücksichtigen. Insbesondere bei interdisziplinär zu lösenden Problemen ist unterschiedliches Vorwissen (in Breite und Tiefe) vorteilhaft. Durch die Aufteilung einiger der Projektaufgaben unter den Studierenden können diese ihre jeweiligen Stärken nutzen und gleichzeitig fehlendes Wissen individuell aufarbeiten. 

Kernkompetenz selbständiges Arbeiten & Lernen
Selbständiges Arbeiten und Lernen wird durch die Anwendung dieser Methode stark gefördert und gefordert, da hier die selbständige Organisation des eigenen Wissenserwerbs im Vordergrund steht. Ein regelmäßiges Feedback, Zwischenstandsgespräche sowie eine gezielte Gruppenbildung unterstützen diejenigen, deren Selbststeuerungskompetenz (noch) nicht ausgeprägt ist.

Studienmotivation
Problemorientiertes Lernen ist eine demokratische und handlungsorientierte Lernmethode, bei der Eigenverantwortung, Problemlösekompetenz und Kreativität erforderlich sind. Dadurch setzt diese Methode eine Grundmotivation voraus, sich auf – für Studierende und Lehrende oftmals neue – Lehr-/ Lernwege einzulassen. Diese curriculare Offenheit, die den bestmöglichen Raum für Lernendenbestimmung und –orientierung bietet, kann helfen, den von Studierenden häufig empfundenen Bruch zwischen Theorie und Praxis zu überwinden und dadurch die Motivation im hohen Maße zu fördern.

Akademische & soziale Integration
Akademische und soziale Integration wird durch die Anwendung dieser Methode stark gefördert. Die akademische Integration erfolgt u.a. durch die Begleitung und das methodisch-inhaltliche Feedback des Lehrenden. Die soziale Integration erfolgt durch die intensiven Gruppenphasen. Der Gruppenbildungsprozess muss gegebenenfalls von Lehrenden unterstützt werden, um Ausschließungsprozesse zu vermeiden.

Zeitliche & örtliche Restriktionen
Beim problemorientierten Lernen müssen sich die Teams regelmäßig treffen. Insgesamt sind deutlich mehr Termine zu koordinieren als beim Besuch einer Vorlesung. Diese können aber mit der Kleingruppe abgestimmt werden und werden nicht starr von der Hochschule vorgegeben. Auch eine virtuelle Gestaltung der Arbeitsgruppen ist möglich, um den Arbeitsprozess nicht ortsabhängig zu machen. In der Selbstlernphase sind keine örtlichen Restriktionen vorhanden.

Literatur
Baumert, J. (1993): Lernstrategien, motivationale Orientierung und Selbstwirksamkeitsüberzeugungen im Kontext schulischen Lernens. In: Unterrichtswissenschaft (21), S. 327–354.

Hochschuldidaktik für MINT-Fächer (o.J.): Projektorientiertes Lernen. Online verfügbar unter www.hd-mint.de/lehrkonzepte/lehrkonzepte/projektarbeit, zuletzt geprüft am 26.04.2016.

Marks, F.; Thömen-Suhr, D. (2012): Die Moderation des Problemorientierten Lernens (POL) – Die Rekonstruktion der Wirklichkeit. In: Neues Handbuch Hochschullehre. Stuttgart (C.1.1).

Pfäffli, B. (2005): Lehre an Hochschulen. Eine Hochschuldidaktik für den Aufbau von Wissen und Kompetenzen. Bern, Stuttgart, Wien: Haupt Verlag.

Weber, A. (2004): Problem-based Learning. Bern: h.e.p. Verlag.

Zitation
Buß, Imke; Rump, Jutta; Kaiser, Janina; Schiedhelm, Melanie; Schorat-Waly, Petra (2017): Problemorientiertes Lernen (POL). In: Rump, Jutta; Buß, Imke; Kaiser, Janina; Schiedhelm, Melanie; Schorat-Waly, Petra: Toolbox für gute Lehre in einer diversen Studierendenschaft. Arbeitspapiere der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen, Nr. 6. www.hwg-lu.de/arbeitspapiere

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