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Steckbrief: Studienpioniere

Jessica Heuser

Definition und Ausgangslage
Studienpioniere sind definiert als „Personen, deren Eltern nicht studiert haben“ (Büchler 2012, S. 10). Selbst mit Hochschulzugangsberechtigung beginnen sie seltener ein Studium als Kinder aus akademischen Haushalten (Isserstedt et al. 2010). Studienpioniere finden sich prozentual häufiger an (Fach-) Hochschulen als an Universitäten. So beziffert die 20. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks (Middendorff et al. 2013) den Anteil der Studienpioniere an Universitäten mit 44%, während an Fachhochschulen 62% Bildungsaufsteigerinnen und Bildungsaufsteiger vertreten sind.

Laut Studieneingangsbefragung im Wintersemester 2012/13 (Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen 2013) stammen 72% der Studienanfänger/innen in den Bachelorstudiengängen der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen aus einem nicht-akademischen Haushalt. Der Gesamtanteil der Studienpioniere an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen beträgt etwa 53% (Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen 2015)[1]. Die meisten Studienpioniere der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen (41%) stammen aus einem Elternhaus mit mittlerer Bildungsherkunft (Eltern besitzen Ausbildung, aber keinen Studienabschluss). Der Anteil der Studienpioniere aus niederer Bildungsherkunft (Eltern ohne Berufsausbildung), oder laut Bargel (2010) „bildungsfernen Schichten“, beträgt an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen 11,5%. Bereits bei der Entscheidung für oder gegen ein Studium spielen für Studienpioniere oft andere Faktoren eine Rolle als bei den Kindern aus akademischen Haushalten. Ökonomische Faktoren stehen hierbei im Vordergrund. So benötigen Studienpioniere mehr ideelle und finanzielle Hilfe, werden jedoch durch Stipendien seltener gefördert (Büchler 2012). Entscheiden sich Studienpioniere für ein Studium, empfinden sie die Finanzierung ihres Studiums weniger gesichert (50%) als die der Studierenden aus akademischem Elternhaus (75%) (Isserstedt et al. 2010). Gleichzeitig beantragen Studierende mit niederer Bildungsherkunft weniger oft BAföG, da sie eine Verschuldung während des Studiums vermeiden möchten (ebd). Infolgedessen ist die Erwerbstätigkeit neben dem Studium, um den Lebensunterhalt zu bestreiten, bei Studienpionieren höher als bei Kindern aus Akademikerfamilien (Büchler 2012).

Im Studienbarometer 2014 der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen wurde erhoben, dass 66% der Vollzeitstudierenden der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen neben dem Studium erwerbstätig sind, um das Studium zu finanzieren. Es zeigt sich in der Untersuchung ebenfalls, dass 62,5% der Studienpioniere an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen erwerbstätig sind, während nur 37,5% der Akademikerkinder neben ihrem Vollzeitstudium einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Nur knapp die Hälfte aller erwerbstätigen Studierenden der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen, unabhängig von ihrer Herkunft, schätzt die Erwerbstätigkeit als gut vereinbar mit dem Studium ein (Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen 2015).

Auswirkung auf Studiensituation und Studienerfolg
Nicht nur die finanzielle Unsicherheit stellt für Studienpioniere ein Hindernis vor und während des Studiums dar, auch der Habitusunterschied zwischen nicht akademischem Herkunftsmilieu und universitärem Milieu führt zu Erschwernissen. Umgangs- und Arbeitsformen und speziell die wissenschaftliche Sprache sind Elemente, die den Studienpionieren, im Gegensatz zu Studierenden aus einem akademischen Elternhaus, nicht vertraut sind. Die Phase des Sich-Zurechtfindens an der Hochschule dauert länger, da Struktur, Sprache und Umgangsformen als fremd wahrgenommen werden und die Entwicklung einer Distanz zum Studium und zur Hochschulkultur begünstigen (El-Mafaalani 2012). Studienpioniere müssen akademische Sprache und wissenschaftliche Umgangsformen erlernen, da sie im häuslichen Umfeld nicht üblich sind. Monetäre Sicherheit während des Studiums ändert nichts an den Habitusunterschieden zwischen den Studienpionieren und Kindern aus akademischen Familien. So schreiben Lange-Vester und Teiwes-Kügler (2004, S. 159 f.) „[ökonomisches Kapital] verschafft beispielsweise Bildungsaufsteigern keine Sicherheit im Umgang mit abstrakten Begriffen und wissenschaftlichen Theorien“. Probleme bei der Organisation des Studiums, unpräzise Vorstellungen von Studieninhalten und dem System Hochschule sowie Unsicherheit im Umgang mit Dozentinnen und Dozenten kommen hinzu. Kleine Gruppen und persönlicher Kontakt sind Möglichkeiten für die Hochschule und Lehrenden, die Unterschiede abzubauen (Bargel 2010).

Die Studienpioniere der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen geben im Studienbarometer 2014 (Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen 2015) an, dass ihnen das wissenschaftliche Arbeiten (insbesondere Schreiben von Haus- und Abschlussarbeiten) die größten Schwierigkeiten im Studium bereitet. Die Hochschule kann Studienpioniere somit durch Module mit entsprechenden Prüfungsarten sowie einer guten Betreuung bei wissenschaftlichen Arbeiten unterstützen. In der Einschätzung der eigenen Studiensituation[2] konnten im Studienbarometer 2014 (Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen 2015) jedoch keine signifikanten Unterschiede zwischen Studienpionieren und Studierenden aus einem akademischen Elternhaus festgestellt werden. Nur bei der Frage nach dem Wunsch nach mehr Wahlpflichtmodulen zeigen sich Divergenzen. Studienpioniere äußerten weniger häufig den Wunsch eine größere Auswahlmöglichkeit zu haben, als Studierende aus einem akademischen Elternhaus. Das Streben nach Sicherheit und klaren Vorgaben, die es leichter machen sich in einem nichtvertrauten Umfeld zurechtzufinden, könnten das Ergebnis erklären.

Trotz der Herausforderungen von Studienpionieren stellt Büchler (2012) fest, dass noch keine eindeutigen Ergebnisse zum Zusammenhang zwischen Studienabbruch und Bildungsniveau der Eltern vorliegen. Was sich jedoch festhalten lässt ist, dass „Studienabbrecher mit vielfältigen Problemlagen konfrontiert sind und das Abbruchpotenzial letztlich in deren kumulierender Wirkung liegt. Dass sich Bildungsaufsteiger deutlich häufiger und in stärkerem Ausmaß durch das Studium belastet sehen, muss daher als höchst alarmierend gedeutet werden“ (Heublein et al. 2003, S. 29).

Literatur
Bargel, T. (2010): Barrieren und Benachteiligungen für Bildungsaufsteiger. Konstanz.

Büchler, T. (2012): Studierende aus nicht-akademischen Elternhäusern im Studium. In: Arbeitspapier 249, Hans-Böckler-Stiftung.

El-Mafaalani, A. (2012): BildungsaufsteigerInnen aus benachteiligten Milieus. Habitustransformation und soziale Mobilität bei Einheimischen und Türkeistämmigen. Wiesbaden: Springer VS.

Heublein, U.; Sprangenberg, H.; Sommer, D. (2003): Ursachen des Studienabbruchs. Analyse 2002. In: HIS Hochschul-Informations-System GmbH (Hg.): Hochschulplanung, Bd. 163. Hannover.

Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen (2013): Studiengangsbefragung im Wintersemester 2012/13. Internes Dokument.

Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen (2015): Studierendenbarometer. Hochschulweite Studierendenbefragung. Wintersemester 2014/2015. Unveröffentliches Dokument. Unter Mitarbeit von Keller, A. Evaluationsbeauftragte der Hochschule. Ludwigshafen am Rhein.

Isserstedt, W.; Middendorff, E.; Kandulla, M.; Borchert, L.; Leszczensky, M. (2010): Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in der Bundesrepublik Deutschland 2009: 19. Sozialerhebung des Studentenwerks. Bonn/Berlin: Bundesministerium für Bildung und Forschung.

Lange-Vester, A.; Teiwes-Kügler, C. (2004): Soziale Ungleichheiten und Konfliktlinien im studentischen Feld. Empirische Ergebnisse zu Studierendenmilieus in den Sozialwissenschaften. In: Das kulturelle Kapital und die Macht der Klassenstrukturen. Weinheim/München: Juventa, S. 159–187.

Middendorff, E.; Apolinarski, B.; Poskowsky, J.; Kandulla, M.; Netz, N. (2013): Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland 2012: 20. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks durchgeführt durch das HIS-Institut für Hochschulforschung. Online verfügbar unter www.sozialerhebung.de/download/20/soz20_hauptbericht_gesamt.pdf, zuletzt geprüft am 25.04.2016. 

Zitation
Heuser, Jessica (2017): Steckbrief: Studienpioniere. In: Rump, Jutta; Buß, Imke; Kaiser, Janina; Schiedhelm, Melanie; Schorat-Waly, Petra: Toolbox für gute Lehre in einer diversen Studierendenschaft. Arbeitspapiere der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen, Nr. 6. www.hwg-lu.de/arbeitspapiere

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[1] Daraus könnte man schlussfolgern, dass der Anteil der Studienpioniere beim Übergang von Bachelor- in Masterübergänge sinkt. Allerdings lag der Rücklauf des Studienbarometers 2014 nur bei 14%.

[2] Erhoben in Frageblöcken zu: Schwierigkeiten im Studium, Informiertheit, Beurteilung der Qualität der Lehre, Entwicklung von Kenntnissen und Fähigkeiten, Verbesserung der persönlichen Studiensituation sowie der zeitlichen Studienplanung.

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