nalen Interessen lassen sich sogar hierarchisch nach Relevanz ordnen. Die Schule der Realpolitik lässt dabei „Ideen“ beiseite; sie geht davon aus, dass jeder Staat, gleich welche Form er hat – Demokratie oder Autokratie, um zwei Extreme zu nennen –, die glei- chen nationalen Interessen verfolgt. Das Grundlegendste besteht darin, in einem internationalen Staatensystem zu überleben, in dem es keine Oberste Instanz gibt, die ein Staat im Konflikt- fall anrufen könnte und die dann ein gültiges Urteil spräche. Und wie steht es um die „Geopolitik in Asien“? Die findet derzeit in höchst aktiver Form statt. Auslöser ist der äußerst rasche ökonomische Aufstieg der Volksrepublik China. Mit diesem Staat betritt ein neuer Mitspieler die Büh- ne der internationalen Beziehungen, zunächst in Asien. China sucht heute, auf der Basis der ökonomischen Er- folge der letzten 20 Jahre, als es zur zweitstärksten Wirtschaftsmacht der Erde aufstieg – und in dem Zu- sammenhang zur zweitstärksten Militärmacht, zur weitaus stärksten in Asien –, seine nationalen Interes- sen durchzusetzen. Dies produziert inzwischen erhebliche Spannungen mit allen Nachbarn in der Region. Und natürlich mit der Hegemonialmacht der westlichen Hemisphäre, den Ver- einigten Staaten, die selbst massive Interessen in Asien verfolgen. Wie äußert sich diese chinesische Interessenpolitik? Zum Beispiel darin, dass China erheb- liche Territorialansprüche nach Osten, gegen Japan, stellt und im Süden – in Richtung Südostasien – etwa 1.800 Kilometer Fläche des Südchinesi- schen Meeres als Territorium nicht nur, wie seit den 1950er-Jahren, verbal beansprucht, sondern mittlerweile durch das Schaffen von Fakten ganz praktisch. Seit einem Jahr schütten chinesische Baufirmen Riffe, die zum Beispiel die Philippinen beanspru- chen, zu Inseln auf, bauen dort Flug- zeuglandebahnen und militärische Einrichtungen. Im Ostchinesischen Meer, zu Japan hin, beansprucht Chi- na japanische Inseln und hat dort Ende 2013 eine Zone eingerichtet, in der sich Flugzeuge und Schiffe bei chinesischen Stellen anmelden sollen, wenn sie dort hineingehen. Warum spielt sich das Ihrer Meinung nach im Südchinesischen Meer ab? Weil es der Vorhof Chinas ist und weil dort von allen Regionen der Erde die größten wirtschaftlichen Interessen Chinas liegen: Allein in Großprojek- ten ab 100 Millionen US-Dollar sind das Investitionen in Höhe von 154 Milliarden US-Dollar. Das Handelsvo- lumen mit den Staaten dort betrug 2014 runde 1.500 Milliarden US-Dollar, mehr als die Hälfte des deutschen Außenhandels. Wie hat das Publikum Ihre Ausfüh- rungen aufgenommen? Nach den Gesichtern der Zuhörer beim Vortrag und dem anschließenden Bei- fall nach zu urteilen, war das Interesse sehr groß; es gab ja auch jede Menge Bilder dazu, vor allem natürlich: Land- karten.NachdemVortragkamenmeh- rere, die mich an ihre Schulen einladen wollten. Eine Lehrerin aus Koblenz hat bereits geschrieben. Ich glaube, eine Ursache für das große Interesse ist, dass dieses Thema in Deutschland bislang kaum eine Rolle spielt. Aus einsichtigem Grund: Ostasien ist kein Teil deutscher Nationalinteressen. In Amerika ist das anders. Vielen Dank für das Gespräch! In seinem Element: China-Experte Prof. Dr. Jörg Rudolph beim Landesverband Deutscher Schulgeographen 47 International