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EBZ/HWG LU: Vierter Vortrag der Reihe "Soziale Fragen"

Mit einem durchaus hoffnungsvollen Gefühl entließ Prof. Dr. Kai Vöckler, Stadtforscher und Professor für Urban Design an der HfG Offenbach, am vergangenen Donnerstagabend, den 8. Mai, die zahlreich erschienenen Zuhörenden im Ernst-Bloch-Zentrum. Der Vortrag Vöcklers mit dem Titel „Perspektiven und Herausforderungen einer Ankunftsstadt für Deutschland: Das Beispiel Offenbach am Main" stellt den jüngsten Eintrag der gemeinsamen Reihe „Soziale Fragen“ dar, die in Kooperation mit dem Ernst-Bloch-Zentrum und den Professoren Peter Rahn und Jörg Reitzig der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen stattfindet.

Für die Metropolregion Rhein Main leistet die Stadt Offenbach laut Vöckler bedeutende Integrationsarbeit. Mit einem nichtdeutschen Bevölkerungsanteil von über 41 Prozent lässt sich Offenbach als internationalste Stadt Deutschlands bezeichnen, gleichzeitig ist jedoch auch die Arbeitslosenquote höher als im hessischen Durchschnitt. In der Gesamtperspektive für die Region sieht Vöckler hier eine ungleiche Verteilung von wirtschaftlichem Gewinn und den infrastrukturellen Aufgaben zwischen Kernstädten wie Offenbach und den umliegenden Gebieten. Auch die Tatsache, dass sich der wachsende nichtdeutsche Anteil von Abiturient*innen nicht in der Stadtverwaltung und Politik widerspiegele, sieht Vöckler als Problem. Gewachsene migrantische Netzwerke und Hilfestrukturen, die häufig erste Anknüpfungspunkte für Zuziehende darstellen, bleiben zudem eine Herausforderung für die Arbeit der Stadtverwaltung. 

Vöckler zufolge bildet die Stadt Offenbach, die bereits sehr früh die Relevanz des Themas Integration erkannt habe, ein idealtypisches Beispiel für eine „Arrival City“, wie sie der britisch-kanadische Autor Doug Saunders in seinem 2011 erschienenen Buch über Migrationsbewegungen beschrieben hat: Offenbach gilt hiermit als Ankunftsstadt und Zwischenstation, die von einem Großteil der Ankommenden wieder verlassen wird, sobald diese einen sozialen Aufstieg geschafft haben. Laut Vöckler ergeben sich dadurch für die Stadt zentrale Identitätsfragen, denen sich offen gestellt werden müsse. Um Gemeinsinn herzustellen, spielen kulturelle Aneignungspraktiken eine große Rolle. Der Stadtforscher präsentierte hierbei eine Reihe von Beispielen, etwa die Musik des Rappers Haftbefehl sowie aus dem Hochschulbereich hervorgegangene Projekte, die Einwohner*innen und lokale Geschäfte sichtbar machen und porträtieren. Als einen zentralen Erfolgsmoment für die Stärkung des urbanen Selbstverständnisses nannte Vöckler die Beteiligung an der Architekturbiennale Venedig im Jahr 2016, bei der die Stadt unter dem Slogan „Offenbach is almost all right“ Teil der Ausstellung „Making Heimat. Arrival Country Germany“ war. 

Nach dem Vortrag gab es Anmerkungen aus dem Publikum und eine rege Diskussion, etwa in Bezug auf die Parallelen zu Ludwigshafen. Auf die Frage nach Gentrifizierungstendenzen empfahl Vöckler einen vorsichtigen Umgang mit der Begrifflichkeit, da Aufwertungsprozesse durchaus im Sinne der allgemeinen Stadtentwicklung seien. Viel entscheidender sei es, grundlegende Probleme in den Blick zu nehmen, wie den allgemein feststellbaren Mangel an bezahlbaren Wohnraum. Angesichts aktueller Demokratiekrisen betonte Vöckler gegen Ende zudem nochmals die Aufgabe von Stadtverwaltungen und der Zivilgesellschaft, Wege zur Identifikation mit dem Gemeinwesen zu erarbeiten. 

Johannes Alvarez, Ernst-Bloch-Zentrum

 

 

Außenansicht des Ernst-Bloch-Zentrums
Das Ernst-Bloch-Zentrum (Bild: EBZ)
Prof. Dr. Kai Vöckler am Pult beim Vortrag im EBZ
Referent Prof. Dr. Kai Vöckler, Stadtforscher und Professor für Urban Design an der HfG Offenbach (Bild: EBZ)