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Vortrag zur Eröffnung der Ausstellung „Wohnungslose im Nationalsozialismus“

Am Dienstagabend, den 30. September 2025, wurde die Wanderausstellung „Wohnungslose im Nationalsozialismus“, durch den Auftakt einer dreiteiligen Vortragsreihe offiziell eröffnet. Die Ausstellung ist im C-Gebäude der Hochschule vor der Bibliothek zu sehen.

Die Ausstellung wurde offiziell mit dem Vortrag von Alfons Ims mit dem Titel „Das Leben der Familie Ims in der Pfalz“ eröffnet. An diesem Abend waren ca. 40 Zuhörer:innen im Auditorium der Hochschule anwesend. 

Zu Beginn stellte Prof. Dr. Andreas Rein die Wanderausstellung vor. Er betonte die Beharrlichkeit von Alexander Wilking, Studierender im Bachelorstudiengang Soziale Arbeit, die Ausstellung an die HWG LU zu holen und das Vorhaben aktiv umzusetzen. Der Dekan des Fachbereichs Sozial- und Gesundheitswesen, Prof. Dr. Peter Rahn, hatte ebenfalls spontan die Gelegenheit bekommen, Grußworte an Alfons Ims und die Zuhörenden zu richten.

Der Vortrag wurde durch Ims durch die Worte „Ich lasse sprechen. Es folgt jetzt eine Sprache, die sie ertragen müssen.“ eröffnet, sodann folgte eine Audioaufnahme des SS-Brigadeführers und Rassenhygienikers Arthur Gütts, in der dieser das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ – dessen Inhalt Gütt maßgeblich bestimmte – erläuterte. Mit besonderem Fokus pochte dieser auf den „angeborenen Schwachsinn“. Entmenschlichender Nazi-Jargon und Worte von „Nächstenliebe“ – gegenüber kommenden Generationen – wechselten sich in der Aufnahme des SS-Arztes ab. Dieses Gesetz bot die Grundlage für Zwangssterilisationen und Ermordungen in NS-Deutschland, welchen Hunderttausende zum Opfer fielen.

In Ims’ Vortrag wurden biografische Stränge seiner Familie chronologisch und parallel zu den Politischen Entwicklungen und der Eskalation entmenschlichenden Sprache der Nazi-Eugeniker anschaulich dargestellt. Ims' Großvater (Jg.1868) erlitt einen enormen sozialen Abstieg. Dieser musste seinen Beruf als Schneider aufgeben und kam nach Kaiserslautern, um dort als Hilfs- bzw. Gelegenheitsarbeiter in der dortigen Industrie zu arbeiten. Der Vater von Alfons Ims, Heinrich Ims (Jg. 1900), lebte dadurch von Geburt in Armut. Bereits in den wirtschaftlich schwierigen Zeiten der Weimarer Republik wurden er, seine Frau Anna und die 7 Kinder zum Sozialfall. In den Jahren des NS verschlechterte sich die Situation dramatisch: Aufgrund der früheren politischen Tätigkeiten des Vaters und der sozialen Situation der Familie wurde nun die ganze Familie als „asoziale Volksschädlinge, moralisch minderwertig und angeboren schwachsinnig“ behandelt:

Anna Ims wurde zwangssterilisiert, alle Kinder wurden in Kinderheime gebracht. Ims Halbsschwester entging der Sterilisation nur knapp. Anna Ims starb 1943 im Alter von 39 Jahren, sie litt vor dem Tod schon seit einem Jahrzehnt an einer Nierenbeckenentzündung. Ein halbes Jahr später heirateten Alfons Ims Vater und seine Mutter, Ludwina. Ludwina stammte aus der Mittelschicht. Für sie bedeutete die Hochzeit eine gravierende soziale Abwertung. Nach Kriegsende verblieben die Kinder in den Heimen, erst durch Ludwinas Interventionen konnten sie heimkehren. Die Mutter kämpfte bis 1951, als die letzten Zwillingsbrüder von Alfons Ims entlassen wurden, sie waren zu diesem Zeitpunkt 15 Jahre alt und hatten keine Schulbildung erhalten.

Der Vortrag endete mit einem kurzen Blick auf die Gegenwart. Die Aktualität des Themas wurde durch das andauernde Leugnen, Schweigen und Scham der Opfer, aber auch durch sich einschleichende, eugenisch-wirkende Formulierungen in der aktuellen Tagespolitik unterstrichen. „Es gibt keine Gegenwart ohne Vergangenheit“ so der Referent.

Die Vortragsreihe wurde am Dienstag, den 7. Oktober 2025, 18:00 Uhr, mit dem Vortrag „Die Kolonie der asozialen Mieter“ von Prof. Dr. Thomas Wagner von der Technischen Hochschule Mannheim fortgesetzt. Hierbei ging es um die Geschichte des ältesten Ludwigshafener Notwohngebietes, dem „Bruchwiesenviertel“, das zwischen Mitte der 1920er und 1970er Jahre existierte. 

Die kleine Veranstaltungsreihe schließt mit einem Vortrag von Merle Stöber, Doktorandin am Institut für Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld, zum Thema „Sozialdarwinistische Zustände. Tödliche Gewalt gegen wohnungslose Menschen“. Der Vortrag findet am 20. Oktober 2025 um 19:00 Uhr im Auditorium des C-Gebäudes (Raum C0.007, Ernst-Boehe-Straße 4-6) statt.

Text: Johannes Geißler I Foto: privat

Portraitfoto A.L. Ims