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18-Spektrum-Juni2015

45 Die dritte Regel: Ziele festlegen! Wie soll ein funktionierender Staat Griechenland aussehen? Und wenn uns diese Frage zu umfas- send sein sollte, bitte schön: Bleiben wir auf der zweiten Ebene der Abbildung 1! Wie soll eine funktionierende Volkswirtschaft aussehen? Ah, das ist schon leichter. Jeder Studierende der Wirt- schaftswissenschaften erhält im ersten Semester eine Idee von den Zielen der Wirtschaftspolitik und damit vom „Arbeitsprogramm“ der dafür verantwortlichen Regierung. Abbildung 2 zeigt das „magische Viereck“, wohl vertraut, aber scheinbar schon zu kompliziert für viele Talkshows. Die vierte Regel: Für Wertungen Kriterien festlegen! Wollen wir etwas messen, vergleichen oder eine zeitliche Entwicklung darstellen, benötigen wir Kriterien, an denen wir dies festmachen. Die Be- hauptung „Der Druck auf Arbeitnehmer wird im- mer größer“, führt in einer Bachelor-Thesis zu ei- nem dicken roten Strich. Sie taugt nicht einmal als Hypothese, denn es fehlen die Kriterien, anhand derer „Druck“ gemessen werden sollte. Wenden wir uns Griechenland zu: Die viel geäußerte Fest- stellung, dass die griechische Wirtschaft marode Hoher Beschäf- tigungs- stand Stabiles Preis- niveau Außen- wirtschaft- liches Gleich- gewicht Wirt- schafts- wachstum Abbildung 2: Das magische Viereck der Wirtschaftspolitik Ziele sei, schreit nach Kriterien. Volkswirte sind hier gefragt, denn sie müssten eigentlich wissen, wel- che Kriterien für eine funktionierende Wirtschaft erfüllt sein müssen. Tatsächlich gibt es hierfür altbewährte Modelle, aber anscheinend (aber auch das ist nur eine Hypothese) sind die wenigsten Diskussionsteilnehmenden kompetent genug, sie zu kennen. Es ist der ORDO-Liberalismus, fußend auf den Lehren von Adam Smith, der uns die sieben Grundregeln einer funktionierenden Wirt- schaft nennt (Abbildung 3, s. Folgeseite). Der Nutzen dieser Regeln ist klar: Wir können auf Basis etablierter und einer hundertfach geprüften Methodik, quasi als Gerüst, unsere Faktenlage er- arbeiten. Der Fakt, dass offene Märkte wichtig für die Wohlfahrt eines Landes sind, ist hinreichend oft theoretisch wie empirisch bewiesen. Jeder kann das nachlesen. Wer das anzweifelt, disqualifiziert sich. Das Kriterium steht fest und wir können uns auf die Faktenlage konzentrieren, also die Frage, ob in Griechenland die Märkte offen sind oder nicht. Und? Sie sind es nicht. Die fünfte Regel: Quellen prüfen! Die Durchschnittsrente ist in Griechenland höher als in Deutschland, der Median-Grieche ist reicher als der Median-Deutsche, die Lebensarbeitszeit der Griechen ist um mehrere Jahre kürzer als jene der Deutschen, das Bruttoinlandseinkommen pro Kopf ist höher als zum Beispiel in Russland, Polen oder Portugal, nach einem Jahr Arbeitslosengeld erhält ein Grieche keinerlei Transferzahlungen vom Staat und der griechische Industriesektor ist mit 16,5 Prozent der relativ kleinste im gesamten Euro-Raum. Stimmt's oder stimmt's nicht? Wel- chen Quellen glauben wir? Ist die Aussage eines Prof. Dr. Hans-Werner Sinn, zweifellos etablierter, medienpräsenter und souverän argumentierender Chef des ifo-Instituts in München, wahrer als jene der ungeschickt auftretenden Linken-Vorsitzenden Katja Kipping? Trauen wir der OECD, dem IWF, EuroSTAT, der EU-Kommission, der EZB, aber nicht dem griechischen Finanzminister? Welche Quellen zitieren wir? Welche Daten sind „wahr“? Leider gibt es keine eindeutigen Regeln, wem und 45

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