Please activate JavaScript!
Please install Adobe Flash Player, click here for download

tn_spektrum15.pdf

4 Titel Forschung an der Hochschule Prognosen – das Kreuz mit von Jörg B. Kühnapfel Wann immer wir planen, etwa den Urlaub, die Auftragseingänge, die Produktionsaus- lastung oder den Materialbedarf, müssen wir prognostizieren. Wir brauchen eine Idee von dem, was auf uns zukommt. Wenn wir das haben, können wir einen Plan machen, wie wir unser Ziel erreichen. Die Prognose ist offensichtlich die Voraussetzung für Planung. Sie sollte es zumindest sein, denn nur allzu oft wird geplant, ohne dass Prognosen erstellt werden (Jensen, 2001), oder ihnen wird schlichtweg nicht ge- glaubt (Ehrmann & Kühnapfel, 2012). Was wir prognostizieren Gegenstand von Prognosen können Eintrittswahr- scheinlichkeiten für Ereignisse oder Zeitreihen sein. „Wir fahren im Sommer an die Riviera“ fällt in die erste Kategorie. Sie beschreibt ein zukünftiges Er- eignis und impliziert, so wie hier formuliert, eine Eintrittswahrscheinlichkeit von 100 %. Mit der zwei- ten Aussage „Dort ist es immer so schön“ wird auf eine Reihe historischer Ereignisse verwiesen, denn ganz offensichtlich hat es der Familie dort auch frü- her schon gut gefallen. Mehr noch: Die Aussage be- inhaltet die Prognose, dass es auch im kommenden Sommer schön sein wird: Das „immer“ drückt die Erwartung aus, dass sich die bisherigen Urlaubsein- drücke fortschreiben. In der betrieblichen Praxis dominieren die Zeitrei- henprognosen: Wie viel werden wir in den nächsten Monaten verkaufen? Wie viele Kunden werden wir ak- quirieren? Wie viele Vertragskündigungen werden wir erhalten? Doch jede Prognose eines Erwartungswertes, zum Beispiel mittels einer Zeitreihe, die Zukunftswerte beschreibt, beinhaltet naturgemäß die Unsicherheit, ob die Werte stimmen. In einer Prognose tragen wir dem Rechnung, indem wir die Erwartungswerte um eine Eintrittswahrscheinlichkeit ergänzen. Da ein Zukunfts- wert, zum Beispiel der Umsatz im Juli 2015, unmöglich auf den Cent genau prognosti- ziert werden kann, prognosti- zieren wir einen Korridor von Werten. Je „breiter“ dieser Korridor ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass unsere Prognose zutrifft, aber desto weniger nützlich sind die Schätzungen für die Planung. Wie wir prognostizieren Es gibt über 30 anerkann- te Methoden für Prognosen (Kühnapfel, 2013, S. 382 ff.). Dabei sind Techniken der Prophetie natürlich nicht mit- gezählt (denn Betriebswirte vertrauen ExcelSheets mehr als Sternenkonstellationen oder okkulten Orakeln). Die Forschung zu diesem Thema erlebte in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts einen Boom, als durch die Einführung von Computern immer kom- plexere Methoden in Mode kamen. Fortan galt es als besonders schick, Daten durch Formelungetüme zu verknüpfen. Aber: In drei spektakulären „Wettbe- werben“ ließ der renommierte Wissenschaftler Mak- ridakis 25 Methoden bei 200 Prognosen gegeneinan- der antreten und die Ergebnisse waren erstaunlich: Es gab keinen erkennbaren Zusammenhang zwi- schen der Komplexität der Methode und der Quali- tät einer Prognose (Makridakis & Hibon, 2000)! Das heißt natürlich nicht, dass wir Umsatzprognosen auswürfeln dürfen. Es heißt lediglich, dass die Wahl der Methode sehr genau überlegt werden muss und im Zweifelsfall die einfachere reicht. „Schatz, wir fahren im Sommer an die italienische Riviera! Dort ist es immer so schön.“ Eine klare Aussage, alltäglich, harmlos, fast nebensächlich. Dennoch: Drei Prognosen auf einmal, mitsamt der dreifachen Chance, danebenzuliegen. Prognosen, so alltäglich sie im Geschäfts- wie im Privatleben sind, sind gefährlich. Nur allzu schnell liegen wir daneben und treffen falsche Entscheidungen. Daran ist oft mangelnde Methodenkenntnis schuld. Dieser Beitrag beschreibt, worauf zu achten ist.

Seitenübersicht